Die unterschätzten Steiner Alpen

Die Steiner Alpen (Savinjske Alpe) sind ein unterschätztes Gebirge. Südlich der Kara­wanken und östlich der Julischen Alpen gelegen, stehen sie aus österreichischer Perspektive sozusagen in der zweiten Reihe – im Imageschatten ihrer berühmteren Nachbarn.

Historisch gesehen sind sie bedeutsamer Boden, eine Dreiländerecke, die von den ehemaligen Herzogtümern Kärnten, Krain und Steiermark gebildet wurde. Seit Ende des 12. Jahrhunderts ist das Gebiet besiedelt, den Impuls gab die Gründung des Benediktinerklosters Oberburg (Gornji Grad).

Heute ist nur mehr ein kleines Stück österreichisch. Wer will, kann sich im Talschluss der Vellacher Kotschna am absolut südlichsten Punkt des österreichischen Staats­gebietes delektieren und über den Sanntaler Sattel (Savinjsko sedlo, 1.999 m) ins Savinja-Tal hinübersteigen, das mit einem schroffen Durchbruchstal die Steiner Alpen vom östlich angrenzenden Bachergebirge trennt. An dieser Nahtstelle liegt das Örtchen Luče. Wie eine Schafherde versammeln sich die Häuser um den barocken Kirchturm, darunter das Juvan-Haus, ein Baujuwel aus dem 18. Jahrhundert, das von den Besitzern liebevoll instand gesetzt wurde. Alpinistische Tradition inklusive: 1893 wurde im Savinja-Tal ein Zweig der Slowenischen Bergsteigergesellschaft aktiv, bereits ein Jahr später erschien der erste gedruckte Reiseführer über das Gebiet.

Berge und Täler rund um Luče

Die markante Pyramide der Ojstrica (2.350 m) bildet als höchster Punkt im Gemeinde­gebiet den östlichen Abschluss des Steiner Alpen-Hauptkammes. Mehr als 1400 Höhen­meter überragt der Gipfel die nördlich angrenzenden Täler. Eine grimmige Nordwand ist auch dabei, durch sie führt der Kopinšek-Klettersteig. Von Südosten hingegen, vom Bergsteigerdorf Luče aus, ist dieser beein­druckende Berg wesentlich einfacher zu erreichen. Die Kocbekov-Schutzhütte hätte den Gipfelsturm zusätzlich erleichtert, sie ist aber vor einigen Jahren einem Brand zum Opfer gefallen.

Nach wie vor sehenswert ist die namensgebende Karstwanne; riesig und bretteleben liegt sie da, eine Naturarena, für eine Fußballweltmeisterschaft nicht zu schlecht. Man erreicht sie aus dem Lučniza-Tal über das Dleskovška-Plateau in einem land­schaft­lich bezaubernden Anstieg durch lichte Lärchenwälder. Sehr schön und zu­meist einsam ist die Wegvariante von der Ravne-Alm über die Kapelle Molička peč. Sie ist den Heiligen Kyrill und Method geweiht und erinnert an längst versunkene Zeiten: Das 50-jährige Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Josef.

Vom Ojstrica Gipfel überblickt man den gesamten Zentralstock der Steiner Alpen, mit dem Dreigestirn seiner höchsten Gipfel: Kočna (2.540 m), Grintovec (2.558 m) und Skuta (2.532 m).

In dieses Massiv stößt von Nordosten her das Logartal hinein – traumhaft schön und vom spektakulären Rinka-Wasserfall geziert. Die Behauptung, es sei einer der grand­iosesten alpinen Talschlüsse überhaupt, hat einiges für sich. Soviel Schönheit hat seinen Preis, im Sommer ist vor allem an Wochenenden mit lebhaftem Betrieb zu rechnen. Mindestens so reizvoll, aber deutlich ruhiger ist es im südöstlich benach­barten Robanov-Tal, durch das der berühmte Slowenische Alpenweg Nr. 1 führt. Er verbindet auf 500 km Länge Maribor mit Ankaran an der Adria, quert hier das Savinja-Tal und berührt den zentralen Teil der Steiner Alpen. Durch dieses schöne Tal verläuft auch die Anbindung E 5a zum Julius-Kugy-Dreiländerweg.

Einen deutlich anderen Landschaftscharakter zeigen die Berge östlich und südlich der Savinja. Man könnte sie als Voralpen bezeichnen, deren freundliches Gesamtbild den Reiz der Ortschaft Luče unterstreicht. Das dichte Waldkleid ist mit zahlreichen kleinen Einzelgehöften durchsetzt. Traditionelle Bauformen dominieren: Gemauerte, kleinfenstrige Wohngebäude ducken sich unter steile, mit Bretterschindeln gedeckte Schopfwalm-Dächer, die wie kecke Mützen wirken.

Veliki Radova, der Hauptberg dieses Gebietes, überschreitet zwar nur wenig die 2.000er Marke. Aber wie so oft gilt auch hier: Es sind nicht immer die höchsten Spitzen, die zur besten Gipfelschau einladen. Bei guter Sicht sind sozusagen in einem Aufwaschen Adria, Dolomiten, Triglav und Großglockner zu bewundern.

Dem nordseitigen Steilabbruch steht eine gleichmäßig geböschte Südabdachung gegenüber: Ideales Schitourengelände im Winter, südalpiner Blumenreichtum in der warmen Jahreszeit.

Der im Vergleich zu seinen hochtrabenden Nachbarn bescheidene Berg birgt ein faszinierendes Geheimnis: Die Höhle Snezna jama. Sie wurde erst zu Beginn der 1980er Jahre entdeckt und später für Besucher zugänglich gemacht. Für eine Eishöhle ungewöhnlich tief gelegen (1.556 m), ist sie selbst im höhlenreichen Slowenien ein einzigartiges Naturphänomen. Beeindruckt wird man vor allem durch die Kombination aus Eis- und Tropfsteinschmuck – ein Raumbild von seltener Farbigkeit.

Nicht nur am Berg, auch im Tal gibt es Spektakuläres: Nördlich von Luče baut sich unmittelbar an der Savinja eine surreale 40 Meter-Felsnadel („Igla“) auf – bei deren Anblick dem Kletterer Hände und Füße jucken (Das Klettergebiet Igla …). Gleich nebenan ergießt sich eine merkwürdige Quelle. Sie ist ein Beispiel dafür, was sich Mutter Natur im Karst so alles einfallen ließ: Einem natürlichen Uhrwerk gleich schüttet die Quelle eine Weile, dann versiegt sie für 10 bis 20 Minuten, springt wieder an, versiegt erneut. Man erzählt, dass dies früher wesentlich regelmäßiger als heute geschah (Igla und der intermittierende Brunnen …) .

Trotzdem wir Berg­steiger als eher wasserscheu gelten, wird uns die Savinja gefallen: Ein glasklares Flüsschen, das Fliegenfischer ebenso anzieht wie deren natürliche Feinde, die Kajaker und Rafter.

Kulinarik in Luče

Die lokale Küche ist lebendig und wird von ortstypischen Bauernspeisen dominiert – Getreide­gerichte, Milchspeisen, Geräuchertes.

Das bekannteste Gericht ist der Zgornjesavinjski želodec (Magen aus dem Oberen Savinja-Tal) – eine echte regionale Spezialität. Sie gleicht einer riesigen, flachge­klopften Salami und schmeckt sensationell.

Und wenn man endlich satt und zufrieden in dem putzigen und bewohnbaren(!) Höfemuseum Domačija Koklej sitzt und auf das Dörfchen hinunterschaut, dann bleibt als Resümee nur: Klein und fein darfs öfter sein!

Autor: Roland Kals