Idylle am Fuße des Karnischen Kamms

Der Karnische Höhenweg ist „in“. An schönen Herbstwochenenden sind es fast schon Karawanen, die über den grandiosen Aussichtsbalkon zwischen Dolomiten und Tauern marschieren und die Schutzhütten bis an die Kapazitätsgrenze füllen. Nur wenige kommen aber auf die Idee, die Perspektive umzudrehen und den karnischen Kamm einmal von der Talseite her anzugehen. Und das lohnt sich auf jeden Fall.

Nicht zufällig steht bei Heinfels im Tal der Drau, das hier Pustertal heißt, eine altehrwürdige und immer noch ziemlich wehrhaft aussehende Burg. Sie bewacht die Ausmündung zweier Täler: Das Villgratental und das Tiroler Gailtal. Letzteres ist ziemlich versteckt, mündet es doch mit einer Geländestufe hoch über dem Talboden der Drau. Auf einer Serpentinenstraße geht es einige hundert Höhenmeter hinauf, dann erreicht man die Gemeinde Kartitsch mit dem schön geformten Turm der Pfarrkirche St. Leonhard. Von der Umfassungsmauer des Friedhofes genießt man einen weiten Blick nach Westen ins Pustertal, das hier auffallend geradlinig verläuft. Ursache dafür ist eine markante geologische Linie, die „periadriatische Naht“. Diese Grenzlinie verlässt just in Kartitsch das Pustertal und zeichnet auch das Tiroler Gailtal nach, das östlich des Kartitscher Sattels Tilliacher Tal heißt, dann noch weiter östlich jenseits der Landesgrenze zu Kärnten erneut den Namen wechselt und die nächsten zwanzig Kilometer als Lesachtal firmiert. Bei Kötschach-Mauthen wechselt der Name des Tales nochmals und zwar verwirrenderweise wieder zu Gailtal, das bei Villach endlich in die Drau mündet.

Aus der Vogelperspektive betrachtet, zeigt auch das Gail- oder Lesachtal den geradlinigen Verlauf. Deutlich unterscheidet sich das Erscheinungsbild der nördlichen von der südlichen Talseite. Hier die sanften Ausläufer der Lienzer Dolomiten mit den breiten Almflächen, dort die über dichten Bergwald aufragenden Felskonturen des Karnischen Kammes, der die Staatsgrenze zu Italien markiert.

In Kartitsch sind wir bereits auf 1.350 m Meereshöhe, das Gebiet ist eines der höchstgelegenen Täler im ohnehin bereits hochgelegenen Osttirol. Noch 200 m höher, dann ist der Kartitscher Sattel erreicht, von dem man auf Obertilliach und Untertilliach hinunterblickt.

„Golzentipp“ heißt der Hausberg dieser Gegend. Ein perfekter Aussichtspunkt mit einem grandiosen Rundumblick, der von den Hohen Tauern und die Schobergruppe über die Lienzer Dolomiten, die Karnischen Alpen bis zu den Sextener Dolomiten und weit hinein ins Pustertal reicht. Die Chancen, dass die Aussicht auch genossen werden kann, stehen gut, bezeugen doch die langjährigen meteorologischen Aufzeichnungen dieser Region eine überdurchschnittliche Zahl sonniger Tage.

Freunde hoher Felsenberge werden eher die Südseite des Tales bevorzugen und über einen der zahlreichen Seitengräben dem Karnischen Kamm zustreben. Pfannspitze, Großer Kinigat, Porze, Cima Manzon, Gamskofel, Hochspitz, Steinkarspitz – zwischen Obstanser See und Luggauer Scharte gibt es unzählige Möglichkeiten, Ausdauer und alpinistisches Können inmitten einer grandiosen Gebirgsszenerie zu erproben.