Breit schwingt die perfekt ausgebaute Straße hinter St. Johann im Pongau den steilen Hang entlang. So rasch und bequem geht es heutzutage dahin, dass man nur aus den Augenwinkeln bemerkt, dass zur Linken eine schroffe Wand herantritt und die Straße an eine düstere Schlucht heranrückt. Also: Fuß vom Gaspedal und Halt bei der kleinen Kapelle, um den bestürzenden Blick in die Tiefen der Liechtensteinklamm zu genießen.
Nach weiteren acht Kilometern – im bald wieder eng gewordenen Tal – schlüpft man noch durch einen kurzen Tunnel und erblickt – endlich – das an den Hang geklebte Dörflein Hüttschlag: Der bescheidene Kirchturm und die altertümlich-wuchtigen Gewerkenhäuser wirken gegen die ernste Präsenz der Hüttschlager Wand fast wie Spielzeug. Kann Gestein überhaupt so grün sein? Die Nachmittagssonne meißelt die feinsten Konturen der Wand heraus, die über steile Wiesen jäh in den Himmel schwingt.
Noch ist es aber eine gute Strecke bis in den Talschluss. Karg wirkende Wiesen, bescheidene Gehöfte, ein paar Wohnhäuser. Wenig ahnt man hier von den breiten Almflächen in der Höhe, von denen nur die links und rechts über die Talflanken hinaufführenden Nabelschnüre der Materialseilbahnen künden.
Beim Talwirt endet die Fahrstraße schließlich. Zahlreiche Wasserfälle rauschen über schrofige Talflanken. Die Kunstwiesen um das nunmehr verlassene Seegut bilden gleichsam den zivilisatorischen Kontrapunkt zur düsteren Bergmasse des Keeskogels. Von hier kann man – übrigens auf den Spuren der alten Wallfahrtsroute nach Maria Luschari – durch das wilde, oftmals von Hochwässern und Muren heimgesuchte Schödertal mühsam auf die Arlscharte und weiter ins Kärntnerische Maltatal gelangen.
Die Gemeinde Hüttschlag bildet den Talschluss des Großarltales, welches als verbindendes Landschaftselement zwischen den Hohen und den Niederen Tauern gelten kann. Als östlichstes der Salzburger Tauerntäler ist es auch eines der Längsten (die Luftlinie zwischen Arlscharte und Salzach beträgt immerhin 27 km), mit einer beeindruckend hohen Mündungsstufe (ca. 200 m) ins Salzachtal.
Die eiszeitliche Vergletscherung hat einen eindrucksvollen Taltrog ausgehobelt, der, bedingt durch das Schichtfallen, einen ausgeprägt asymmetrischen Querschnitt besitzt: Besonders von Großarl bis zum Talschluss beherrschen eindrucksvolle Felswände die Ostseite des Tales, während die Westseite in sanften Hängen ansteigt.