Herz der Karawanken – Srce Karavank
Über Grenzen und wie man sie überwindet…
Wie eine lückenlose Mauer – so wirkt die Gebirgskette der Karawanken, die das Klagenfurter Becken nach Süden hin abschließt. Erst bei näherer Betrachtung erkennt man, dass diese Mauer eher ein gestaffeltes Bollwerk ist, mit einigen Vorbergen und den dahinter versteckten Seitentälern.
So ist es auch, wenn man das traditionsreiche Büchsenmacherstädtchen Ferlach – hier werden auch heute noch berühmte Jagdgewehre hergestellt – hinter sich lässt und in ein nach Süden abzweigendes Waldtal eindringt. Rasch werden die Talhänge steil, dann schroff und felsdurchsetzt. Die Straße wird eng und zwängt sich zwischen den über Felsen herab brausenden Bachlauf und eine düstere Felswand. Schließlich steigt der Fahrweg in etlichen Windungen zur Höhe – eine letzte Kehre und man ist in einer anderen Welt.
An die Stelle der ernsten Waldungen tritt ein breites, sonnendurchflutetes Hochtal. Der felsige Karawanken-Hauptkamm ist nun schon ganz nahe, tritt aber bescheiden hinter grüne Wiesenhügel zurück – fast wie ein etwas zu groß geratener Gartenzaun, der das kleine Paradies zu beschützen scheint. Das Pfarrdorf Zell schmiegt sich bescheiden an die südliche Talseite, ganz so, als wollte es möglichst wenig der kostbaren Landwirtschaftsfläche beanspruchen – immerhin sind wir hier schon auf fast eintausend Meter Seehöhe – und flachhängige Wiesen sind rar in dieser Gegend.
Manche Besucher werden wohl zunächst ein schwer zu beschreibendes Gefühl der Entrücktheit empfinden. Sicherlich tragen dazu die ungewohnten Beschriftungen auf Informationstafeln und Gebäuden bei. „Gospodarski center“ liest man etwa am örtlichen Wirtschaftshof, oder „Ljudska šola“ an der Volksschule. Aber praktisch: die deutsche Übersetzung wird gleich mitgeliefert.
Dieser Eindruck der Fremdheit verpufft schlagartig, wenn man mit den Einheimischen ins Gespräch kommt. Offen, herzlich und gastfreundlich ist man hier – und natürlich auch sehr stolz auf die slowenische Volksgruppe – ihr fühlen sich fast alle Bewohnerinnen und Bewohner des Tales zugehörig. Nur manchmal erhält die Unbeschwertheit und Heiterkeit einen ernsten Grundton – wenn das Gespräch auf die verwickelten und tragischen Geschicke kommt, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dieses Tal heimgesucht haben. Der Ort war im zweiten Weltkrieg ein Stützpunkt der antinazistischen Widerstandsbewegung und leider auch Schauplatz einer spektakulären Verhaftungswelle, die mit mehreren vollstreckten Todesurteilen endete – Ereignisse, denen der Schriftsteller Peter Handke in seinem Epos „Immer noch Sturm“ ein ergreifendes Denkmal setzt.
Trotz dieser Tragik oder vielleicht gerade deshalb ist der kleine Ort seit geraumer Zeit ein Muster der Völkerverständigung und des Bemühens um ein gedeihliches Miteinander. Ein schöner Beweis dafür ist ein „Wahlbruderschaftsbrief“ aus dem Jahr 1972, in dem sich Zell und das slowenische Städtchen Škofja Loka zur engen Zusammenarbeit in kulturellen und sportlichen Angelegenheiten verpflichten. „Wir wünschen mit dieser Wahlbruderschaft die Freundschaft und den Frieden unter den Völkern zu festigen“, heißt es da.
Nun wollen wir aber ins Herz der Karawanken vorstoßen. Vorbei am malerisch gelegenen Gehöft Pajner geht es auf einer gewundenen Schotterstraße zum Koschuta-Schutzhaus/Koča pod Košuto, das unter den eindrucksvollen Nordwänden der Koschuta liegt. Hier besteht die Möglichkeit zum Einstieg in den Weg der Alpenkonvention. Dieser anspruchsvolle alpine Rundweg ist das Produkt einer schönen Zusammenarbeit zwischen den alpinen Vereinen und den Gemeinden hüben und drüben der Staatsgrenze, die hier exakt über die Kammlinie verläuft. Er ermöglicht geübten Bergsteigern die gesamte Umrundung des Massivs in zwei bis drei Tagesetappen.
Wen es in die Vertikale zieht, der kann vom Koschutahaus zu den Einstiegen der Klettersteige auf den Koschutnik-Turm, den Lärchenturm oder Hochturm gelangen oder auch verschiedene Klettertouren der schärferen Richtung unternehmen.
Und weil man nach getaner „Arbeit“ am Berg die Kraftreserven wieder auffüllen muss: das geheime Dopingmittel der Gegend sind Kärntner Nudeln mit lokal abgewandelter Rezeptur, die in den örtlichen Wirtshäusern einen nicht anders als himmlisch zu bezeichnenden Gaumengenuss bieten.