Wo die Ois zur Ybbs mutiert

Drei Wasserläufe fließen hier zusammen und bilden so vereint jenen Fluss, dessen Name den unverzichtbaren Bestandteil zahlreicher Kreuzworträtsel bildet: die Ybbs. Der kleine Lunzer See öffnet sich als smaragdfarbenes Auge zwischen mächtigen Waldhängen. Als echter Alpensee ist er von erfrischender Klarheit, was nach der Grenzerfahrung einer hochsommerlichen Besteigung des Dürrensteinmassivs sehr willkommen sein kann.

Der 1.878 m hohe Dürrenstein baut sich als mächtiger Kalkstock im Süden des Ybbstales auf. Fast wäre man versucht, den Dürrenstein als “Universalberg” zu bezeichnen, der vielfältige Interessen bedient: Er beherbergt seltene Tier- und Pflanzenarten, zeichnet sich durch einen außerordentlichen Reichtum an Höhlen und Karsterscheinungen aus, bietet interessante Zeugnisse der letzten Eiszeit und präsentiert sich überdies als meteorologische Rarität. Gilt doch das “Grünloch”, eine Doline auf der Dürrensteinhochfläche als absoluter Kältepol Mitteleuropas, seit dort im Februar 1932 ein Wert von – 52,6ºC gemessen wurde. Rundherum ist es natürlich wesentlich gemütlicher. Es gibt guten Grund zur Annahme, dass die Lunzer zu den von der Sonne Begünstigten zählen: dies gilt besonders im Herbst, wenn sich das Alpenvorland schon längst unter einer dicken Nebeldecke versteckt hat.

Der Dürrenstein ist prädestiniert für ausdauernde Alpinisten mit Sinn für die eigentümlichen Schönheiten eines Karstplateaus, das, abgesehen von einigen Forststraßen in den Randbereichen, von technischen Erschließungen verschont geblieben ist.

Nördlich des Ybbstales dominieren sanft geformte Waldberge mit Höhen um die 1.000 m, die zu beschaulichen Wanderungen durch die bäuerliche Kulturlandschaft einladen. Sehr reizvoll ist das Kothbergtal, empfehlenswert auch das Ahorntal und das Bodingbachtal, durch das die alte, kaum befahrene Straßenverbindung ins Alpenvorland führt, ein Schmankerl für Genussradler.

Nicht weit von Lunz am See befindet sich ein Kleinod mittelalterlicher Klosterbaukunst: Das Kartäuserkloster Maria Thron in Gaming wurde unter Kaiser Josef II. säkularisiert, wird heute nach einer sorgfältigen Restaurierung als nobles Hotel genutzt und dient darüber hinaus verschiedenen Kultur- und Seminarveranstaltungen, etwa dem allsommerlich abgehaltenen “Chopin-Festival”.

Gleich nebenan, im Bodingbachtal, befindet sich der österreichische Haupttempel des Senkobo-Buddhismus. Ist dieses Gebiet vielleicht ein besonderer Nährboden der Spiritualität?