Ein alpenkulinarisches Reisebuch
Genießen und Verweilen in den Bergsteigerdörfern
Da gehören Speis und Trank unbedingt dazu. Wir präsentieren unsere Bergsteigerdörfer, sowie eine bunte Palette von Partnerbetrieben und Schutzhütten. Außerdem haben wir die hier Vorgestellten gebeten, uns ein Rezept für ein „Bergsteigeressen“ zur Verfügung zu stellen, das die Kochfreudigen gerne ausprobieren können. Um eine gewisse Ordnung zu wahren, sind die Rezepte und Beschreibungen ganz grob in die Kapitel „Suppen und Vorspeisen“, „Hauptspeisen“ und „Süßes“ gegliedert.
Ein Wort zum Begriff „Bergsteigeressen“
Wir verstehen darunter nicht jenes preisgeregelte Gericht, das auf Alpenvereinshütten den Vereinsmitgliedern mit schmalem Geldbeutel vorbehalten ist und früher für eher einfallslose und billige Zutaten bekannt war. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten gründlich geändert. Sowohl die Ansprüche als auch die Kaufkraft der bergsteigenden Menschen sind markant gestiegen und die Professionalität vieler Schutzhüttenwirtinnen und -wirte ist heute auch in gastronomischer Hinsicht bemerkenswert. Und selbstverständlich bieten auch die Bergsteigerdörfer-Partnerbetriebe im Tal ihren Gästen eine breite Palette kulinarischer Köstlichkeiten.
Also definieren wir in diesem Streifzug durch die Alpen den Begriff Bergsteigeressen einfach anders: Schmack- und nahrhafte Speisen für Menschen, die gerne am Berg unterwegs sind und denen es neben der sorgfältigen Zubereitung auch um Herkunft und Produktionsweise der Grundstoffe geht. Wir leben ja in einer Zeit, in der das Bewusstsein für regional und ethisch einwandfrei produzierte Produkte schon weit verbreitet ist. Ähnliches gilt für Produkte mit Bio-Gütesiegel, wobei sich herumgesprochen hat, dass „Bio“ alleine nicht genügt, wenn die Ware in ganz Europa herumkutschiert wird.
Vor 30 Jahren war solches Denken noch exotisch und ungewöhnlich. 1986 definierte der aus dem Piemont stammende Carlo Petrini mit „Slow Food“ einen neuen Maßstab: „Buono, pulito e giusto“ – gut, sauber und fair. Die Produkte müssen also regional und saisonal authentisch sein und traditionell hergestellt werden. Gleichsam als Nebeneffekt erreicht man damit, dass regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt und die Menschen mit Auge, Mund und Händen wieder an ihre Heimat gebunden werden.
So vielfältig die Konzepte der in diesem Buch vorgestellten Gastronomiebetriebe auch sein mögen: Gemeinsam ist ihnen das Streben nach Grundstoffen, die möglichst wenig Transportkilometer am Buckel haben.
Auch im Alpenverein befasst man sich seit geraumer Zeit mit diesem Thema: Die vom Deutschen Alpenverein ins Leben gerufene und inzwischen gut eingeführte Initiative „So schmecken die Berge“ vereint mittlerweile über 100 Alpenvereins-Schutzhütten in Deutschland, Österreich und Südtirol.
Authentische „alpine“ Lebensmittel und damit auch die alpine Kulinarik zeigen eine Besonderheit, die sich auf den ersten Blick mit dem heute allgegenwärtigen Genussthema (das wohl auch einen dem Schlaraffenland vergleichbaren Überfluss suggeriert) nicht zu vertragen scheint: Die verwirrende Fülle regionaler Bezeichnungen verstellt den Blick darauf, dass in der „echten“ alpinen Küche nur eine Handvoll von Zutaten zur Verfügung steht, die im strengen Sinne als regional produziert gelten können. Es sind zwar ein bisschen mehr als die berühmten „vier Elementen“ der Tiroler Küche, aber keinesfalls unüberschaubar viele. Aus dem vermeintlich Wenigen lässt sich aber eine Reihe nahr- und schmackhafter Speisen hervorbringen. Örtliche Unterschiede und verschiedene Einflüsse von „außen“ gibt es natürlich: Wir dürfen ja nicht vergessen, dass die Alpen seit jeher ein Transitraum von Menschen und Waren gewesen sind, sodass insbesondere an den Hauptdurchgangswegen Einflüsse der Nachbarländer sichtbar werden.
Zusammenfassend könnte gesagt werden:
Die Kochkunst in den Bergen hat im Laufe der Generationen gelernt, mit begrenzten Ressourcen virtuos zu wirtschaften. Die schmale Palette der Grundstoffe erlaubt zwar keine unendlichen Geschmacksvarianten, im Detail aber wird durch kleine Abwandlungen der Mischungsverhältnisse, bestimmte Beigaben oder Gewürze und nicht zuletzt durch regional abweichende Formgebungen eine überraschende Vielfalt erreicht. Dieses Wissen hat sich bis heute erhalten, die heimatliche Küche ist also nach wie vor ein wesentliches Element der alpinen Identitäten und ein zentraler Bestandteil des täglichen Lebens in den Bergsteigerdörfern.
Die Zusammenstellung in unserem kulinarischen Reisebuch kann somit als eine Reise durch die Bergsteigerdörfer mit kulinarischem Mehrwert verstanden werden. Und weil Mahlzeit mit etwas Bewegung vorher besser schmeckt, haben wir ergänzend auf alpenvereinaktiv.com eine eigene Liste mit Tourentipps aus allen Bergsteigerdörfern erstellt.
Roland Kals