Im Schatten symbolträchtiger Berge
Die neuen Bergsteigerdörfer Crissolo im Piemont und Dovje-Mojstrana in Slowenien
2023 nahm die Initiative Bergsteigerdörfer zwei neue Dörfer auf: Crissolo am Fuße des Monviso ist seit Juni Teil der Initiative und im August kam mit Dovje-Mojstrana das dritte slowenische Bergsteigerdorf dazu.
Crissolo
(Massimo Ombrello & Davide Rossi)
Crissolo, ein kleiner Ort im oberen Po-Tal, blickt auf eine Geschichte zurück, die „doppelseilig“ mit dem Bergsteigen und dem Wandern verknüpft ist. Nach der ersten italienischen Besteigung des Monviso, der mit seinem herausragenden Gipfel seine Umgebung dominiert, wurde im Jahr 1863 der Italienische Alpenverein (CAI) gegründet. Das Bergsteigen brachte einen Wandel in der lokalen Wirtschaft mit sich: Es entstanden Schutzhütten in den höheren Berglagen und aus der Tätigkeit von Trägern und Bergführern ergaben sich neue Einnahmequellen.
Das Gebiet ist ein Naturschatz der Alpen: hier entspringt auf der Hochebene Pian del Re (2.020 m) der Po, der längste Fluss Italiens, und zahlreiche Alpenseen und eine vielfältige Landschaft tragen zu einem hohen ökologischen und biologischen Reichtum bei. Der Monviso und die Berge rundherum ziehen bergbegeistere Besucher*innen an, die im mittleren und hohem Po-Tal ein ausgedehntes Netz an gut markierten Wanderwegen vorfinden, z.B. zu den Hütten Quintino Sella und Giacoletti, die Wege zum Colle delle Traversette, zum Tunnel Buco di Viso, der Rundwanderweg Giro di Viso und die Grande Traversata delle Alpi (GTA – die große Überquerung der Alpen). Im Winter lädt die Gegend zum Skibergsteigen und Schneeschuhwandern ein. Natur- und Bergführer*innen ermöglichen einem breit gefächerten Publikum Wanderungen und Aufstiege in sicherer Begleitung und widmen sich auch der Umsetzung integrativer Projekte, um auch Menschen mit Beeinträchtigungen die Erkundung der Bergwelt zu ermöglichen.
Daneben spielt die Kultur in Crissolo eine wichtige Rolle: Klassik-Konzerte, Buchpräsentationen und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst prägen das kulturelle Angebot während der Sommersaison und bieten Abwechslung nach einem Wandertag. Kleine Beherbergungsbetriebe, Hotels, Bed & Breakfasts, Gaststätten, Restaurants und Bars, Lebensmittelgeschäfte, Souvenirläden und Sportartikelgeschäfte, die Ausrüstung verleihen, heißen die Tourist*innen willkommen. Alle diese familiengeführten Betriebe leben und arbeiten in Einklang mit Besucher*innen und Bewohner*innen.
Auch der Umweltschutz wird hier großgeschrieben: etwa die Hälfte des Gemeindegebiets steht als Parco del Monviso unter Naturschutz, welcher als treibende Kraft hinter der Förderung eines nachhaltigen Tourismus steht. Seit 2013 ist die Region auch Biosphärenreservat und damit Teil des UNESCO- Programms „Men and Biosphere”.
Crissolo vergisst auch seine Geschichte nicht: die Wallfahrtskirche, die dem heiligen Märtyrer San Chiaffredo gewidmet ist (der Legende nach ein Soldat der thebanischen Legion), erinnert an die Entdeckung seines Grabes im Jahr 522 n. Chr. Heute gilt die Kirche als Ort der Andacht mit einer bemerkenswerten Sammlung von Votivbildern. Im Mittelalter lag Crissolo im Gebiet der Markgrafschaft von Saluzzo. 1480 ließ der Markgraf aus kommerziellen Gründen den ersten Alpentunnel bauen, den Buco di Viso, der noch heute begehbar ist und einen kuriosen Streckenabschnitt des Giro di Viso, einer äußerst interessanten Höhenwanderung, darstellt. Und die Beziehungen zwischen diesem Ort und der Geschichte sind sogar noch älter: Eine anerkannte Theorie besagt, dass Hannibal während des Zweiten Punischen Krieges gegen Rom genau hier die Alpen überquert hat.
Dovje-Mojstrana
(Miro Eržen)
Im oberen Sava-Tal, zwischen der Stadt Jesenice und dem Zentrum der Gemeinde Kranjska Gora, liegt auf 660 m Seehöhe die Ortschaft Mojstrana, die Heimat für 1100 Einwohner*innen ist. Ihr gegenüber, nur durch den Fluss Sava Dolinka und die Straße Jesenice-Kranjska Gora getrennt, liegt die Ortschaft Dovje auf einer Höhe von 711 m am sonnigen Hang der Karawanken. Mit ihren 627 Einwohner*innen bildet sie zusammen mit Mojstrana und dem Weiler Zgornja Radovna mit 77 Einwohnern das Dorf Dovje-Mojstrana.
Es ist der Ausgangspunkt für Bergtouren in die Karawanken, z.B. zu Kepa und Dovška baba, und liegt am Eingang zu den Triglav-Tälern Vrata, Kot und Krma, durch die die Zugangswege zum Triglav (2.864 m) führen. Zugleich ist es der Eingang zum Nationalpark Triglav mit seinen vielen natürlichen Sehenswürdigkeiten, wie der Triglav-Nordwand und dem Pericnik-Wasserfall. Der gesamte Bogen des Vrata- und Kot-Tals und die Nordwand von Triglav sind ein integraler Bestandteil der lokalen Gemeinschaft von Dovje-Mojstrana, besonders in Zgornja Radovna, wo die Menschen in der Vergangenheit mit Pferden an der Versorgung der Berghütten beteiligt waren.
In der Sommersaison ist der Triglav ein beliebtes Ziel von Bergsteiger*innen, aber auch die benachbarten Gipfel Škrlatica (2.740 m) und Stenar (2.501) bieten lohnende Touren. Am gegenüberliegenden Bergkamm der Karawanken ist das Panorama des Triglav-Massiv ein Blickfang, der die eine Wanderungen auf den Kepa-Gipfel (2.501), die Vrtaška Alm (1.462 m) und weiter nach Sleme (2.077 m) oder zum Alm Dovška Rožca begleiten. Im Winter ist das Tourenskifahren vom Berg Dovška Rožca und (wenn die Bedingungen es erlauben) von Kredarica ins Krma-Tal beliebt.
Der Triglav ist das Herz der Julischen Alpen, der höchsten Gebirgsgruppe in Slowenien, deren Fläche großteils zum Triglav-Nationalpark gehört. Der Park wurde nach dem Triglav benannt, der als Symbol Sloweniens gilt und sowohl im slowenischen Wappen als auch in der slowenischen Flagge enthalten ist. Der Zweck des Parks besteht darin, Naturwerte zu schützen, die Kulturlandschaft zu pflegen und das kulturelle Erbe zu bewahren, Möglichkeiten für das Leben der ständig im Park ansässigen Bevölkerung sicherzustellen, eine naturnahe Entwicklung zu fördern und den Besucher*innen das Erleben der Natur näher zu bringen.
Dovje-Mojstrana war schon seit jeher mit den Bergen verbunden. Zur Zeit der DOeAV-Sektion wurde der erste Kurs für Bergführer in Mojstrana organisiert und auch sonst wurde hier die Geschichte des slowenischen Bergsteigens geschrieben. Viele Spitzenbergsteiger kamen aus dem Ort, wie die Teilnehmer der slowenischen Himalaya-Expeditionen zu Annapurna und Makalu oder die ersten slowenischen Bergsteiger im Yosemite. Außerdem ist das Gebiet Heimat von 18 slowenischen Teilnehmer*innen der Olympischen Spiele.
Seit 2010 ist in Mojstrana das Slowenische Bergsteigermuseum beheimatet. Das markante Gebäude auf der linken Straßenseite in Richtung Vrata ähnelt einer Berghütte. Vergangenheit und Gegenwart gehen hier Hand in Hand. Eine umfangreiche Objektsammlung mit vielen historischen Erzählungen, ein Foto- und Archivmaterial sowie eine Fachbibliothek bieten Besucher*innen Einblick in die Vielzahl und Bedeutung der Bergaktivitäten im slowenischen Raum. Das Museum ist zudem Informationsstelle für den Nationalpark und der Alpenkonvention sowie Anlaufstelle für alpine Auskunft.
Die Einheimischen sehen ihre Zukunft in der Entwicklung eines Tourismus, wie er von der Philosophie der Bergsteigerdörfer definiert wird, und wollen den Ort vor den massentouristischen Strömungen schützen, die nur wenige Kilometer weiter im benachbarten Kranjska Gora spürbar sind.