Ein gutes Leben

Bergsteigerdörfer werden auch als Beispiele für „Orte guten Lebens in den Alpen“ genannt. Eine Annäherung an dieses Bonmot.

Vor der Haustür die Bergtour zu starten oder von der Stadtwohnung aus unzählige Unterhaltungsmöglichkeiten in wenigen Minuten erreichen zu können – was ein gutes Leben oder, wie hier gleichgesetzt, eine hohe Lebensqualität ausmacht, wird wohl für jede*n von uns etwas Anderes bedeuten. Denn was als solche empfunden wird, entsteht im Zusammenspiel von individuellem Wohlbefinden und objektiven Lebensbedingungen.

In ländlichen, dezentralen Regionen ist es oft eine Herausforderungen, jene Einflussfaktoren auf die Lebensbedingungen aufrecht zu erhalten, die sich auf Einkommen, Wohnen, Beschäftigung, Gesundheit, Soziales und Versorgung oder Finanzen beziehen. Gerade in der regionalen Daseinsvorsorge bedarf es innovativer, multifunktionaler Modelle, um die Verfügbarkeit von Gütern des täglichen Bedarfs, medizinische Versorgung oder Zugang zu Bildung sinnvoll anbieten zu können. So wird z. B. der Nahversorger gleichzeitig zur Poststelle, während regionale Zentren die Funktion als Sammelpunkt für spezialisierte Dienstleistungen wie Verwaltung oder Bildungswesen übernehmen.

Langfristiges Ziel diverser Raumplanungsprogramme ist es, die Attraktivität ländlicher Regionen zu bewahren. Sie nicht der Verbrachung und Entsiedelung zu überlassen, bedeutet, dass Kulturlandschaft und damit Biodiversität erhalten bleiben, Identitätsräume weiterentwickelt werden und Orte für Erholung abseits großer touristischer Zentren weiterbestehen. Die Umsetzung einer „gerechten Raumentwicklung“ (s. ÖREK 2023 – www.oerek2030.at/kapitel-7/punkt-7), die bedarfsorientiert für gleichwertige Lebensbedingungen und Lebensqualität in allen Regionen sorgen will, erfordert das Engagement der Verwaltung. Gerade auf lokaler Ebene sind es Akteur*innen, die auf den Bedarf in ihrem Wirkungsbereich hinweisen, wie bei Mobilität oder dem Ausbau von Kommunikationsinfrastruktur.

Dem Grundsatz der gerechten Raumentwicklung folgen auch die Bergsteigerdörfer mit ihrem Bekenntnis zur Alpenkonvention, wo diese im Protokoll Raumplanung und nachhaltige Entwicklung skizziert ist. Neben der Herausforderung, ausreichende öffentliche Infrastruktur oder wohnortnahe Daseinsvorsorge bereitzustellen, spielen auch naturräumliche und soziale Faktoren eine Rolle. Wie all das zu einem guten Leben beiträgt, wollen wir von Leuten, die in Bergsteigerdörfern leben und arbeiten, erfahren.

Sandra und Jörg von Oafoch guat – Partnerbetrieb im Bergsteigerdorf Weißbach bei Lofer

Bergauf: Ein Bergsteigerdorf als Heimat – was bedeutet das für euch?
Für uns bedeutet es leben und wirken in einer sehr angenehmen und gewohnten Umgebung. Das Leben in den Bergen bedeutet Freiheit, Natur und Kontakt mit bergaffinen Menschen. Mountainbike, Bergsteigen, Skitouren, Klettersteige – alles ist direkt vor der Haustüre. Tourismus ist natürlich ein Teil davon, in Weißbach läuft das aber im Vergleich zu anderen Destinationen sehr sanft ab.

Bergauf: Was schätzt ihr besonders daran, in Weißbach zu leben?
Weißbach bietet alles, was du zum Leben brauchst. Wichtig dabei die intakte Infrastruktur: vom Nahversorger, Bäckerei, Gastronomie, einer guten Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz bis hin zu einem E-Auto für die Einwohner ist alles vorhanden. Die Kleinheit führt dazu, dass jeder jeden kennt, ein großer Vorteil für das gesellschaftliche Leben.

Bergauf: Welche Herausforderungen nehmt ihr dafür in Kauf?
Ab und zu wäre es sicher schön, ein anderes Umfeld, wie die Stadt, zu genießen. Die Sehnsucht danach hält sich aber in Grenzen und Salzburg oder der Pinzgauer Zentralraum mit diesen Angeboten liegen vor der Haustür.

Steckbrief: Oafoch Guat – der Name ist Programm! Das Konzept steht auf drei Säulen: Feinkost, Bistro, Vinothek. Im Sommer kommt ein Klettersteigset-Verleih dazu und wir sind das ganze Jahr Ansprechpartner für Bergsportler, die Informationen über den Bergsport in Weißbach brauchen.

Pepi von der Hepi Lodge – Partnerbetrieb im Bergsteigerdorf Lesachtal

Bergauf: Ein Bergsteigerdorf als Heimat – was bedeutet das für dich?
Ich bin selbst begeisterter Bergsportler und viel in den Bergen unterwegs. Unsere Entscheidung, in die Berge zu ziehen, hat auch viel damit zu tun, diesem Hobby nachgehen zu können, ohne sich dafür jedes Mal weit wegbewegen zu müssen. Um Natur und Freizeit zu erleben, muss man sich bewusst die Zeit nehmen, damit das im Alltag Platz hat.

Bergauf: Was schätzt ihr besonders daran, im Lesachtal zu leben?
Vor kurzem war ich in Wien und da wird einem wieder viel bewusster, was man an diesem abgeschiedenen Ort hat. Ich glaube, dass wir hier selbstbestimmter leben können: der Gemüsegarten hinterm Haus ist dabei ebenso wertvoll, als dass die Kinder sich selbstständig draußen bewegen können, ohne dass man jeden ihrer Schritte beobachten muss. Mit unserem Betrieb können wir uns hier ein Leben aufbauen und es nach unseren Werten und Prinzipien gestalten. Wir schlagen den
Bogen von einem modernen Leben, wo wir nachhaltig und verantwortungsvoll mit dem, was wir haben, umgehen, zu einem traditionellen Umfeld.

Bergauf: Welche Herausforderungen nehmt ihr dafür in Kauf?
Für Kinderbetreuung und später für die weitere Bildung muss man weitere Wege in Kauf nehmen. Im Tal ist bis zur Mittelschule alles vorhanden, später bieten Internate die Möglichkeit, in weiterführenden Schulen zu gehen – das kann für die persönliche Entwicklung auch Potential bieten. Meine persönliche Herausforderung ist es, mich aktiv darum zu bemühen, Inputs aus vielen verschieden Bereichen oder sozialen Gruppen zu erhalten. Der offene Austausch und die gegenseitige Bereicherung dadurch sind mir sehr wichtig.

Steckbrief: Mit dem Motto „die einfache ART im Lesachtal“ hat die hepi Lodge den Anspruch, mehr als nur eine Pension zu sein. Sie ist ein Raum der Entfaltung und zeigt, wie das Leben am Land in einer modernisierten Gesellschaft aussehen kann. Der bewusste Umgang mit der Natur und ein möglichst hoher Grad an Freiheit und Unabhängigkeit stehen im Vordergrund.

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