Es liegt in ihrer Natur

Bergsteigerdorf Lunz am See

Lunz am See ist Niederösterreichs einziges Bergsteigerdorf, der Lunzer See ist der einzige natürliche See des Flächenbundeslandes, gelegen am Rande eines einzigartiges Weltnaturerbes. Wer glaubt, die Lunzer halten sich deshalb für etwas Besonderes, der irrt. Zu Besuch bei Menschen, die geerdet sind – durchs Wasser.

Heuer fiel der Tag auf einen 22. Jänner. Jener Tag, an dem sich die Einheimischen zum ersten Mal aufs Eis wagen. Der Lunzer See trug nach drei kalten Nächten unter minus 10 Grad Celsius eine ausreichend dicke Eisschicht, nachdem schon in den Tagen zuvor immer mehr Mails und Anfragen von Gästen hereingetrudelt waren, wann denn das Eislaufen endlich möglich sei.

Darauf gibt es zwei Antworten: Die eine hat mit dem Klimawandel zu tun und ist durch Aufzeichnungen der Biologischen Station und des Wasserclusters Lunz seit Anfang des 20. Jahrhunderts belegt: Der See weist immer seltener eine geschlossene Eisschicht auf, Tage wie der 22. Jänner werden künftig noch viel seltener werden.

Die zweite Antwort spiegelt das Wesen der Lunzerinnen und Lunzer wider: Den See geben sie grundsätzlich nicht zum Eislaufen frei, genauso wie man im Sommer vergeblich nach einem Bademeister in roten Shorts am Ufer des Seebads sucht. Jeder Gast trägt für sich selbst die Verantwortung, muss selbst abschätzen, wo die Grenzen liegen. Vielleicht haben die Menschen den kleinen Ort in den Ybbstaler Alpen deshalb so in ihre Herzen geschlossen, weil sie, dort angekommen, dem Rhythmus der Natur zu folgen haben. Und merken, wie erleichternd und befreiend das sein kann.

Skifahren auf feinster Naturschnee-Unterlage
Vizebürgermeister Johann Strohmayer, den hier alle „Kogler Hans“ nennen, ist ein eindrucksvoller Beleg für solche Lebensklugkeit: Der baumlange Bauer präpariert mit seinem Team im Winter das gemeindeeigene Naturskigebiet Maiszinken. Er braucht nur wenige Zentimeter Schnee, um eine Piste zu zaubern, auf der die Kleinsten ihre ersten Pflugbogerl ausprobieren. Aber eine Schneekanone kommt ihm nicht in die Betriebsgarage. Dass er es in der aktuellen Saison trotzdem schaffte, als erster Skiliftbetreiber der Region aufzusperren, freut ihn. Aber lieber denkt er schon an sein nächstes Projekt: den Dorfbus „Emil“ oder die „Funkelnde Dorfweihnacht“, für die er schon Prospekte verteilt, wenn in Lunz am See die ersten Narzissen zu blühen beginnen.

Wir lernen: Das Bergsteigerdorf Lunz am See bezieht seinen herben Charme von seiner Urtümlichkeit und Natürlichkeit, von seinen Seen (neben dem „Lunzer See“ gibt es die kleineren Geschwister „Mittersee“ und Obersee“, die beide nur zu Fuß zu erreichen sind) – und vor allem von seinen Menschen, die in diesem Naturraum leben, ohne die Achtung vor dessen Wunder zu verlieren.

Heike und Arthur „Turi“ Schlögelhofer betreiben den „Ötscherland“-Campingplatz genau dort, wo die sprudelnde Ois zur etwas gemächlicher fließenden Ybbs mutiert. Die Kabarettisten Gerold Rudle und Monica Weinzettl haben hier im Sommer 2023 ihr Wohnmobil im Halbschatten nahe dem Flussufer abgestellt und auf Instagram vom Aufenthalt geschwärmt. Der Bäcker befüllt jeden Morgen zwischen Juni und September das Körberl mit Kipferln und Semmeln.

Heike singt im „Ötscherländer Dreigesang“ mit und umsorgt die Gäste, während Turi sein Tagwerk am liebsten am Haflinger, dem legendären Steyr Puch-Geländewagen, verrichtet. Apropos Haflinger: Im Sommer, wenn es die Menschen aus den Städten zum erfrischenden See zieht und der Campingplatz aus allen Nähten platzt, wird die Pferdekoppel der Schlögelhofers zur Zeltarena. Auch das können die Lunzer nämlich: improvisieren.

Touristiker, die ihr Brot in anderen Branchen verdienen
50.000 Nächtigungen zählt die Marktgemeinde Lunz am See im Jahr. Diese Schwelle übersprang der Tourismusort 2023 nach Jahren des stetigen, langsamen Wachstums. Verantwortlich ist hierfür vor allem eine engagierte Schar von Unternehmerinnen und Unternehmern, die ihr Brot in anderen Branchen verdienen, aber mit beeindruckenden Tourismusprojekten von sich reden machen: Mit dem German Design Award wurde kürzlich das im Frühjahr 2023 neu eröffnete Boutique-Hotel „Refugium“ ausgezeichnet. Der Lunzer Tischlermeister Joachim Mayr und sein kongenialer Geschäftspartner Heinz Glatzl stehen dahinter. Wenige Meter entfernt blickt man von der Terrasse des Cafés „Y9“ auf den Scheiblingstein und die Ybbstaler Bergwelt. Die Zimmerer-Familie Strigl hat diesen Blickfang aus Holz geschaffen.

Den privaten Investitionen waren große öffentliche Investitionen vorangegangen. Und so gesellte sich zum 2017 eröffneten Ybbstalradweg vier Jahre später das „Haus der Wildnis“ als interaktives Erlebnismuseum mitten im Ort hinzu. Der Schutzgebietsverwaltung Dürrenstein-Lassingtal gelingt dort das Kunststück, das Weltnaturerbe samt dem größten Urwaldrest des Alpenbogens den Gästen näher zu bringen, ohne die Unberührtheit dieses Schutzgebiets aufs Spiel zu setzen. Dank interaktiver Technik wie Augmented Reality, VR-Brillen und 180-Grad-Kino tauchen die Besucher auf über 700m² Ausstellungsfläche tief in den Urwald ein. Die gesamte Ausstellung ist barrierefrei gestaltet.

Die gute Seele des Hauses heißt Michaela Esletzbichler. Sie betreut Seminargruppen, vermittelt Exkursionen zur tausendjährigen Eibe und schenkt dabei jedem Besucher einen herzhaften Lacher oder einen guten Spruch. Gäste zu betreuen, ohne sie zu bevormunden. Das liegt in ihrer Natur. Lunz liegt in ihrer Natur.

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