Weißt du wie viel Sternlein stehen?

Über den Schutz des natürlichen Nachthimmels

Unsere Nächte sind zu hell. Künstliches Licht wird an vielen Orten eingesetzt, für die erhöhte Sicherheit auf Straßen oder zur Beleuchtung von Gebäuden und Objekten. Wird Licht in der Nacht punktuell zu viel, hat das nicht nur Einfluss auf den Tag-Nacht-Rhythmus der Menschen, sondern auch auf die Lebensbedingungen der Tier- und Pflanzenwelt. Und der Sternenhimmel verblasst an vielen Orten immer mehr.

Das Mondlicht spiegelt sich im See – hebt man den Blick, hinauf über die steil abfallenden Wände des Höllengebirges oder über die Schatten des Schafbergmassivs, wird man in einer klaren Nacht mit einem Meer voller Sterne belohnt. Fast könnte man glauben, die Sterne hier wie Äpfel vom Baum herunterpflücken zu können. Die Vielfalt der Sterne, manchmal sogar die Milchstraße, ist vor allem deshalb sichtbar, weil hier der Nachthimmel kaum von künstlichem Licht beeinflusst wird. Diesen beeindruckenden Sternenhimmel will die Region Naturpark Attersee-Traunsee erhalten und wurde im Frühling 2021 als erster „Sternenpark“ Österreichs anerkannt.

Ein Sternenpark zwischen Attersee und Traunsee

Der Sternenhimmel ist dabei nur eine Komponente, Maßnahmen und Verbesserungen in der bestehenden Beleuchtung sind weitere Bedingungen für die Zertifizierung der International Dark Sky Association zum „Dark Sky Park“. Die deutsche Bezeichnung dafür ist Sternenpark oder Lichtschutzgebiet und meint ein Landschaftsschutzgebiet, in dem die nächtliche Dunkelheit als Schutzgut betrachtet wird.

Doch was bewegt eine eigentlich sehr ländliche Region, sich diesem Thema anzunehmen? Der Sternenhimmel gehört hier fast selbstverständlich zur Landschaft und dass Lichtverschmutzung hier ein Problem wäre, ist kaum anzunehmen. Nicole Eder, Bürgermeisterin des Bergsteigerdorfes Steinbach am Attersee, sieht den Anfang in der Sanierung der Straßenbeleuchtung, bei der sich die Gemeinde erstmals intensiv mit dem „richtigen Licht“ auseinandersetzen musste. Wo soll Licht hinstrahlen und wo nicht, welche Lichtfarbe ist ideal und welche Auswirkungen hat künstliches Licht überhaupt auf Insekten, Vögel, Pflanzen oder auch Menschen? Unter dem Motto „Licht im Einklang mit Mensch und Natur“ wurde die Straßenbeleuchtung als Modellgemeinde des Landes Oberösterreichs erneuert. Das Thema Licht war damit aber nicht abgeschlossen und auch die weiteren Gemeinden im Naturpark – Aurach am Hongar, Altmünster, Schörfling und Weyregg – waren offen für den bewussteren Umgang mit Licht. Mit der Aussicht, einen Mehrwert für den Naturschutz und die touristische Entwicklung der Region zu schaffen, war der Grundstein für die Bewerbung zum Sternenpark gelegt.

Der Schutz des Nachthimmels ist für Steinbach auch als Bergsteigerdorf interessant. Das touristische Angebot wird um ein Thema erweitert, das die Schönheit der Landschaft – sozusagen aus einem anderen Licht betrachtet – unterstreicht. Das „Sternderl schau’n“ ist beliebt, nicht zuletzt, weil viele Menschen an ihrem Wohnort nur einen kleinen Bruchteil der Sternenvielfalt beobachten können. Die Milchstraße zu sehen, ist ein besonderes Erlebnis für die Besucher*innen – das haben bereits einige Regionen in den Alpen erkannt und bieten Führungen, Fotokurse usw. an (s. unten). Auf keinen Fall darf vergessen werden, dass Natur und Wald Rückzugsorte der Wildtiere sind, die auf Störungen in der Dämmerung und in der Nacht besonders empfindlich reagieren. Als Stellvertreter einer der dunkelsten Punkte Mitteleuropas weist der Nationalpark Gesäuse darauf hin, dass sich für die Sternbeobachtung und –fotografie auch Plätze nahe der Straße und im Tal gut eignen. Vor allem im Winter ist es wichtig, die Nachtruhe der Wildtiere nicht zu stören, die ihre Energiereserven für das Überleben dringend benötigen. Auch der Alpenverein rät aus diesem Grund von Nachtwanderungen oder Nachtskitouren im freien Gelände ab, vor allem, wenn starke Stirnlampen mit großem und hellem Lichtkegel verwendet werden. „Der Drang nach Draußen, der Ruf nach Freiheit treibt uns in die entlegensten Gebiete. Das bedeutet jedoch, dass wir uns stets bewusst sein sollten, wie wir uns in der freien Natur richtig verhalten“, heißt es seitens des Naturparks Attersee-Traunsee, der sich bei Aktivitäten im Sternenpark für die Einhaltung einiger Leitlinien stark macht (siehe nebenstehende Infobox).

Den natürlichen Nachthimmel schützen

Sterne faszinieren die Menschheit seit jeher – um die Himmelskörper und ihre Konstellation ranken sich in allen Kulturen Mythen, sie beflügeln die Phantasie und geben Anhaltspunkte für die Einordnung in ein großes Gefüge. „Verlieren wir den Blick auf die Sterne, verlieren wir das Tor zu unseren kulturellen Wurzeln“, meint Norbert Span, Meteorologe und Astrofotograf aus Tirol, der die Bedeutung und Schönheit der Nacht gerne den Teilnehmer*innen seiner Vorträge und Multivisionsshows näherbringt.

Warum wir ihn verlieren? Die Antwort darauf ist Lichtverschmutzung, etwa in Form von Lichtsmog oder punktueller Aufhellung der Umwelt. Als Umweltproblem eher jung, gewinnt es in letzter Zeit an Aufmerksamkeit. Die Auswirkungen von Licht am falschen Platz reichen von ärgerlich – wenn z.B. die Energiekosten durch Licht, das nicht gebraucht wird, zu zahlen sind – bis zu fatal, wenn ganze Vogelzüge durch starke Beleuchtung vom Kurs abgelenkt gegen Hochhausfassaden fliegen und verenden. Denn Zugvögel wandern vor allem in klaren Nächten und orientieren sich auf ihrer Reise an den Himmelskörpern. Auch die Flugbahn nachtaktiver Insekten wird von Licht gesteuert, sodass sie leicht von künstlichen Lichtquellen mit hohem Blaulichtanteil abgelenkt werden. An einer Straßenlaterne können nächtlich bis zu 150 Insekten verenden, die dann wiederum als Nahrung oder Bestäuber fehlen. Alleine im Naturpark Attersee-Traunsee gibt es mehr als 40 Pflanzenarten, die nur von nachtaktiven Insekten (v.a. Nachtfaltern) bestäubt werden, wie die Nachtkerzen, die weiße Lichtnelke, das Nickende Leimkraut, das Wald-Geißblatt und die Heckenkirschen. Setzt man kleine Maßnahmen, wie zum Beispiel die Verringerung des Streulichts oder den Einsatz von wärmerem Licht (warmweißes Licht bis 3000 max. Kelvin), ist schon viel erreicht, weil dieses die Nachtschwärmer deutlich weniger stört.

Auch andere nachtaktive Tiere, wie Eulen, verlieren durch zu viel Licht die Orientierung und finden dadurch weniger Nahrung oder werden in einen kleineren Aktionsradius gedrängt. Das bedeutet auch, dass sie Brutgebiete verlieren. Für Amphibien bedeuten hellere Nächte, dass sie leichter von ihren Jägern entdeckt werden und zur Beute werden. Tagaktive Lebewesen hingegen können durch nächtlich eingesetztes Licht in ihrem Tag-Nacht-Rhythmus und in den Ruhephasen gestört werden. Oft folgt der Rückzug der Tiere aus diesem Lebensraum.

Nicht nur Ökosysteme werden durch Lichtverschmutzung aus dem Gleichgewicht gebracht, auch auf Menschen hat Licht zur falschen Zeit gravierende Auswirkungen. Das wichtige Hormon Melatonin, welches auch krebshemmend wirkt, wird nur bei Dunkelheit produziert. Durch den Einfluss von Licht mit hohem Blaulichtanteil – z.B. über die Nutzung von Bildschirmen in der Nacht oder über Lichteinfall von Straßenlaternen ins Schlafzimmer – wird diese Produktion gestört. Ein Mangel an Melatonin kann zu Schlafstörungen bis hin zu Depressionen führen.

Im 21. Jahrhundert sollte es selbstverständlich sein, dass darüber nachgedacht wird, wie man sich selbst und die Tier- und Pflanzenwelt vor zu viel Licht schützt, so Bürgermeisterin Eder. Mit der Auszeichnung zum Sternenpark könne man auch andere anregen, über das Thema nachzudenken, und den Bewohner*innen der Region in Erinnerung rufen, in welch einzigartigen Region sie lebt – auch wenn der Dorfplatz nun nicht mehr so hell erleuchtet ist. „Meine Vision ist, dass das Bewusstsein, behutsam mit der Natur und unserem Hab und Gut umzugehen, darauf zu schauen, dass es den Generationen nach uns erhalten bleibt, viel fester in den Köpfen der Menschen vorhanden ist. Es soll ein Teil der Lebenseinstellung sein und auch Teil des Bewusstseins im Tourismus.“ Der neue Sternenpark Attersee-Traunsee und viele weitere Initiativen und engagierte Menschen werden darauf hinarbeiten.

Den natürlichen Nachthimmel bewusst betrachten – ausgewählte Beispiele

Beispiele aus den Bergsteigerdörfern

Weiterführende Literatur und Links