Zwei Kilometer südlich von Kreuth liegt Wildbad Kreuth. Den Anblick des klassizistischen Gebäudekomplexes kennen politisch Interessierte aus dem Fernsehen, wenn hier heroben alljährlich im Januar die CSU tagte und sich vor meist tief verschneiter Kulisse fürs Fernsehen interviewen ließ (zuletzt im Jahr 2016). Die Geschichte von „Bad Kreuth“ reicht freilich viel weiter zurück. Vor mehr als 500 Jahren, so besagt die Legende, verfolgte ein Jäger einen verwundeten Hirsch – und wurde staunend Zeuge, als das Tier in einer Quelle am Fuß des Hohlensteins seine Verletzung kühlte. Der Jäger erzählte es den Mönchen des Klosters, die von nun an selbst beim Bad in Kreuth Genesung suchten. Bereits 1511 bauten sie das erste richtige Badhaus, knapp 200 Jahre später kamen die kleine Badkapelle mit dem Splitter „vom heiligen Kreuz“ und ein weiterer Trakt hinzu. Im Jahr 1818 erwarb König Max I. Joseph das im Rahmen der Säkularisation in Privathände geratene Bad und errichtete im Jahr 1820 eine Kuranstalt im herrschaftlichen Stil, die sehr bald zum Treffpunkt der Hocharistokratie Europas wurde. So besuchten bereits 1838 Zar Nikolaus I. Und Zarin Alexandra von Russland das Wildbad Kreuth. Zugleich stiftete der König auch Freiplätze für unbemittelte Kranke.

Das eisen- und schwefelhaltige Quellwasser von Wildbad Kreuth versprach Heilung bei „Steinkrankheit, Gicht, Rheumatismus, Leberleiden und Bleichsucht“. 1822 nahm man Kräutersaftkuren, Soledampfbäder und vor allem Molkekuren nach Schweizer Vorbild ins Angebot auf. Wildbad Kreuth galt bald als bayerisches Pendant zum österreichischen Bad Ischl.

Der Sanatoriumsbetrieb währte, vom Zweiten Weltkrieg unterbrochen, bis 1973. Von 1974 bis 2016 dienten die Gebäude, die nach wie vor im Besitz des Hauses Wittelsbach sind, der Hanns-Seidel-Stiftung als politische Bildungseinrichtung. Nach ihrem Vater Herzog Max in Bayern lenkt heute Herzogin Helene in Bayern, die zusammen mit ihren vier Schwestern in Wildbad Kreuth aufwuchs, die Geschicke der traditionsreichen Anlage.

Gegenüber des langgestreckten Gebäudekomplexes liegt die kleine Heiligkreuzkapelle von Wildbad Kreuth mit dem angebauten Badehaus (heute: Gasthaus Altes Bad). Sie wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts errichtet; im Inneren sind eine große Kreuzigungsgruppe auf dem Altar (18. Jhdt.) sowie ein Holzrelief mit der Auferstehung (16. Jhdt.) beachtenswert.

Geht man von der Kapelle weiter in Richtung Siebenhütten, erreicht man über einen kleinen Abstecher das von seinen Kindern errichtete König Max-Denkmal. Es trägt die Inschrift: „Rein und segensreich wie diese Quelle war sein Leben.“

Volksmusik & Tracht

Beginnend mit dem leutseligen und wohltätigen König Max I. Joseph nahmen auch die Familienmitglieder des Hauses Wittelsbach nach ihm regen Anteil am Leben im Kreuther Tal.

Da waren Prinz Carl (1795-1875), ein leidenschaftlicher Naturfreund und –schützer, der Augenarzt Herzog Carl Theodor (1839-1909) und Herzog Ludwig Wilhelm (1884-1968), der lieber in einem Landhaus bei Wildbad Kreuth leben wollte als im Tegernseer Schloss. Er förderte den Kiem Pauli (1882-1960), der von Wildbad Kreuth aus die Wiederbelebung des bayerischen Volkslieds begann, und gilt auch als Erneuerer der bodenständigen Tracht, für die er u.a. die Lodenweberei neu anregte. Heute gehören Lederhose, Dirndl und Trachtenjoppe nach wie vor zum Kreuther Ortsbild und sind keinesfalls nur Feiertagen oder Veranstaltungen vorbehalten.

Neben den Musikanten hat der Kreuther Winkel immer wieder auch Künstlerpersönlichkeiten angezogen, darunter die Kunstmaler Thomas Baumgartner (1892-1962) und Josef Oberberger (1905-1994), die hier heimisch wurden.

Schloss Ringberg

Was von fern aussieht wie eine mittelalterliche Burganlage mit Aussicht ins Kreuther Tal und auf den Tegernsee, ist in Wahrheit ein Bau aus dem 20. Jahrhundert. Im Jahr 1912 begann Herzog Luitpold in Bayern mit den Arbeiten an dem Schloss, das nach seinem Willen ein neuer Stammsitz der Wittelsbacher werden sollte. Im Auftrag des Herzogs wirkte der Kunstmaler Friedrich Attenhuber (1877 – 1947), der die Gebäude und die Innenausstattung bis ins Detail plante. Die Anlage vereint mittelalterliche Wehrbauten mit Renaissance- und alpenländischen Elementen. Doch der Lebenstraum des Herzogs verwirklichte sich nicht: Als er 1973 kinderlos starb, war das Schloss nur äußerlich vollendet. Das Erbe fiel an die Max-Planck-Gesellschaft, die die An- lage seither – nach umfangreichen Aus- und Umbaumaßnahmen – für wissenschaftliche Zwecke nutzt.

Das Schloss ist nur alle zwei Jahre im Rahmen eines Tags der offenen Tür öffentlich zugänglich.

Landschaftsschutzgebiet Weißachau

Rechts und links der Weißach erstreckt sich die Weißachau, auf den ersten Blick ein weitläufiger (53 km²) Naturpark, in dem es sich entspannt spazieren, radeln oder schlicht zur Ruhe kommen lässt. Doch die Weißachau ist mehr. Dank seiner Flora und Fauna gilt das Areal als eine der bedeutendsten Tallandschaften des Alpennordrands. Im Jahr 1953 wurden die Weißachauen deshalb als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen.

Was Naturschützer ins Schwärmen bringt, ist vor allem das Nebeneinander unterschiedlicher Lebensräume, vom Fluss mit seinem klaren Wasser über Moore und Feuchtwiesen hin zu Magerrasen und einem bedeutenden Vorkommen von Schneeheide-Kiefernwald. Überall leben und wachsen Tier- bzw. Pflanzenarten, darunter Vögel, Insekten und Amphibien, die anderswo kaum noch zu finden sind. Was viele Ausflügler nicht wissen: In der Weißachau bewegt man sich auf Privatgrund. Die Auenlandschaft gehört seit 1810 (!) Kreuther Bauern. Ihr Engagement ist nicht hoch genug zu schätzen. Schließlich verantworten sie nicht nur Wald- und Weideland, sondern erhalten auch ein Landschaftsschutzgebiet. Dafür arbeiten die Bauern eng mit den Naturschutzbehörden zusammen. Die wichtigsten Garanten dafür, dass aus der ungewöhnlichen Auenlandschaft nicht schon längst simpler Wald geworden ist, sind die Kühe. Sie sorgen dafür, dass die geschützten Pflanzen nicht überwuchert werden. Mit ihrem weichen Maul beißen sie ihr Grünfutter nicht bis zur Grasnarbe ab, sondern „rupfen“ mit der Zunge. Dadurch bleiben die eng am Boden liegenden Pflanzenteile erhalten und können wieder austreiben.

Vom Kreuther Ortszentrum aus bringt ein aufwendig angelegter „Wassererlebnisweg“ an der Weißach Besuchern das Landschaftsschutzgebiet und seine Geheimnisse näher. Besonders unterhaltsam ist das Angebot für kleine Entdecker dank „Kreuthi“, der den Weg als Maskottchen begleitet. Noch ein Kleinod: Am südlichen Ende des Gemeindegebiets, unterhalb des Halserspitz-Gipfels an der Grenze zu Österreich, befindet sich die durch die Ramsar-Konvention geschützte Bayerische Wildalm.

Glashütte

Im Süden der Gemeinde liegt Glashütte mit seiner Kirche „Mariä Heimsuchung“ (erbaut 1698). In dem Ortsteil wurde – wie der Name sagt – Ende des 16. Jahrhunderts im Auftrag des Klosters Glasbrennerei betrieben, die aber mangels Rentabilität sehr bald wieder eingestellt wurde.

Kreuther Marmor

Im Kreuther Ortsteil Enterbach wurde im Jahr 1681 der so genannte „Tegernseer Marmor“ entdeckt und in der Folge (bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts) auch abgebaut. Der „Marmor“, tatsächlich polierfähiger Jurakalk in verschiedenen Farbtönen und mit weißen Maserungen, wurde wegen seiner ansprechenden Optik bis nach Potsdam und Baden-Baden geliefert. Er fand aber auch in der Tegernseer Schlosskirche, in der Walhalla bei Regensburg und in der Münchner Residenz Verwendung.

Leonhardifahrt

Die Leonhardifahrt ist der Höhepunkt im Kreuther Kultur- und Brauchtumskalender. Sie ist die älteste Leonhardifahrt Bayerns und findet jedes Jahr am 6. November statt. Das älteste Dokument, das die Umfahrt nachweist, stammt aus dem Jahr 1442.

Die historischen Truhenwagen, mit religiösen Motiven kunstvoll bemalt, werden schon Tage vorher festlich geschmückt. Die Fuhrleute und Reiter striegeln ihre Rösser, Mähne und Schweif der Haflinger, Oberländer und Kaltblüter werden geflochten und mit kleinen Blütensträußerln verziert. Und natürlich wol- len die Menschen nicht nachstehen: Frauen und Dirndln im Schalk bzw. im Mieder nehmen in den Wagen Platz, dazu die Dorf-Honoratioren im Trachtenanzug und auch ein Wagen Schulkinder ist dabei. Dazwischen reihen sich die Musikkapellen ein. Der Pfarrer liest – je nach Witterung – vor oder in der Kirche zunächst eine Messe, anschließend segnet er die vorbeiziehenden Rösser und Reiter.

Am Ende der Wallfahrt kommen Jung und Alt zum Leonharditanz zusammen.

Bodenständig, wertebewusst, nachhaltig

Die Kreuther sind die „Gebirgler“ im Tal, die ihre Distanz zum mitunter flirrenden Getriebe „draußen“ am See seit jeher selbstbewusst und ein bisserl augenzwinkernd pflegen. Man ruht in sich und hält die überlieferten Traditionen und Werte in Ehren. Dabei gehen eine bodenständige Landwirtschaft, Handwerker, die zu den Besten ihres Fachs gehören, Almen, Wirtshäuser und ein lebendiges Vereinsleben Hand in Hand mit der bewussten Entscheidung für einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen.

Als eine der Unterzeichner-Gemeinden der Ökomodellregion „Miesbacher Oberland“ unterstützt man die vielfältigen Perspektiven für Landwirte, aber auch für Gastronomie und Tourismus, die sich aus dem hohen Anteil regionaler Biobetriebe ergeben. Zwei vorbildliche Erzeuger sind die Herzogliche Fischzucht und die Naturkäserei TegernseerLand. Im lichten Bergwald unterhalb von Wildbad Kreuth wachsen in Teichen voll reinstem Quellwasser Forellen und Saiblinge heran, die – frisch oder geräuchert – weithin als Delikatesse geschätzt werden. Und in der genossenschaftlich geführten Naturkäserei verarbeiten Bauern aus der Region die hochwertige Heumilch ihrer Kühe zu Joghurt, Topfen und Käse. Heumilch heißt, die Kühe fressen nur Gras oder Heu und keine Silage. Die Heumilch-Spezialitäten werden national und international regelmäßig ausgezeichnet.

Dafür, dass Kreuth auch optisch Kreuth bleibt, hat sich die Gemeinde eine Ortsgestaltungssatzung gegeben. Sie regelt z. B. das Verhältnis von bebauten zu unbebauten Flächen, Abstandsflächen und Gebäudegrößen, aber auch die äußere Gestaltung. Ziel ist, dass der über Jahrhunderte gewachsene typische Baustil mit seinen charakteristischen Bauformen und Materialien gewahrt bleibt und sich Neubauten in die Landschaft und die umgebende Bebauung einfügen.